Dienstag, 15. Mai 2012

Versäumnis

"Ich weiß, dass das sehr persönlich ist, aber ich bitte euch nun darum, für euch ganz alleine aufzuschreiben, wann ihr schonmal das Gefühl hattet, etwas verpasst zu haben. Ich bitte euch dabei ganz ehrlich zu sein."

Wir schrieben. Zu Beginn wurde getuschelt, Blicke gewechselt, die sagten "Hey, machst du das echt? Schreibst du auf, was du fühlst?" Und ja, ich tat es. Ich schrieb es auf. Zum ersten mal. Vor etwa zwanzig Menschen, mit denen ich Tag für Tag Stunden gemeinsam verbringe. Und doch wissen sie nichts. Es wurde still und sie schrieben. Und es war leicht, weil wir fühlten, nicht dachten.

Ich schrieb von meiner Depression, die mich lähmt und betäubt. Die mich nicht aufstehen lässt und mich Tage lang im Bett liegen lässt. Die mir das Gefühl gibt, zu nichts fähig zu sein. Aber doch, ich sehne mich danach. Nach diesem Glück, nach einem Gefühl, einem Guten. Doch ich kann nicht. Ich weiss, dort draussen könnte ich mein Leben genießen. Ich weiss, dass genau in diesem Moment die Welt nicht stehen bleibt um auf mich zu warten, bis es mir wieder gut geht. Mich betäubt dieser Gedanke, schürt Wut in mir. Doch konnte ich nie etwas ändern. Weil ich nicht wollte. Ich wollte leiden, wollte den Schmerz fühlen. Ich wollte so sehr.

Aber ich habe gekämpft. Jahre lang.

Und jetzt weiss ich, dass ich keine Sekunde meines Lebens verpassen werde. Ich habe nur dieses Leben. Und wenn ich in meinem Bett liegen will, um nichts zu tun, dann ist das gut so. Dann darf ich das. Aber ich kann auch aufstehen. Ich kann das. Ich kann leben. ICH KANN LEBEN. Ich weiss einfach, dass ich es schaffen werde. Nicht, weil ich meine Depression überwunden habe, sondern weil es keine andere Möglichkeit gibt. Es sind so viel tolle Dinge, mit denen ich mich noch beschäftigen will in meinem Leben, ich kann jetzt nicht gehen. Ich will nicht mehr gehen. Ich will nicht mehr tatenlos in meinem Bett liegen. Ich will mich beweisen, ich will genießen, ich will mich freuen, ich will lieben, ich will hassen, ich will einfach fühlen. Mein Leben. Ich will stolz auf mich sein. Ich will erleben. ICH WILL LEBEN.

In diesem Sinne: Ich bin zurück.
Soi.

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